Neues

Wichtiger Hinweis zur Sondermann-Gala 2024

Die Sondermann-Gala findet wie geplant am 9. 11. um 20.00 Uhr im Caricatura-Museum in Frankfurt, Weckmarkt 17, statt. Leider ohne den Preisträger Rainald Grebe, der einen Schlaganfall hatte und alle Termine bis zum Februar 2025 absagen musste. Wir wünschen ihm alles Gute und hoffen, dass er seinen Auftritt bei der nächsten Verleihung nachholen kann. Es wird trotzdem in diesem Jahr ein Programm der Superlative geben. Wir nehmen Sie mit auf eine Reise durch die Sondermann-Galaxis mit kosmischkomischer Musik, psychedelischen Vorträgen, Diaprojektionen, Kassettenrekordern, dem in jeder Hinsicht erstaunlichen Förderpreisträger Samuel Eschmann und: es könnte sogar erstmals auf einer Sondermann-Gala gejodelt werden.

 Denken Sie daran: nur wer am 9. 11.dabei ist, wird später dabei gewesen sein können.

Sondermann-Gala 2024

Am 9. November wird zum 20. Mal der Sondermann-Preis für Höchstleistungen auf dem Gebiet der komischen Kunst verliehen. Und zwar im Museum für Komische Kunst in Frankfurt, der Caricatura, wo die Auszeichnung seit zwanzig Jahren hingehört. Dann erhalten alle Vereinsmitglieder den gerechten Lohn für ihren selbstlosen Einsatz und dürfen umsonst und umsorgt an dieser einmaligen Gala teilnehmen. Sie müssen sich nur unbedingt bis zum 31. Oktober anmelden, dann sitzen Sie in einer der ersten Reihen auf einem reservierten Platz und können den Preisträgern Rainald Grebe und Samuel Eschmann zujubeln.

Sondermann-Gala 2023

Die große Sondermann-Gala findet in diesem Jahr am 26.8. um 20.00 Uhr statt. Mitten in Frankfurt, direkt vor dem Caricatura-Museum auf dem Weckmarkt.

Bitte melden Sie Ihr Kommen an unter info@sondermannverein.org.

Wir werden keine Kosten und Mühen scheuen, nur für Sie ein dreitägiges Festival der komischen Kunst mit vielen namhaften Künstlern zu veranstalten. Mittendrin die Sondermann-Gala mit einem großartigen Programm, Kulissen aus feinstem, laubgesägtem Sperrholz und hochwertigen Preisträgern. Die Mitglieder des Sondermann e.V. erhalten außerdem zwei Freigetränke, die ihnen direkt an Ihren reservierten Plätzen von den Sondermann-Domestiken serviert werden. Lassen Sie sich das auf keinen Fall entgehen, sonst entgeht es Ihnen. Darüber hinaus haben wir für Sie eine reiche Auswahl an warmen Worten vorbereitet, die Ihre Aura stärken und Ihr Karma verbessern werden und, was das Beste ist, von denen Sie die meisten, ja, eigentlich fast alle, in diesem Moment auch schon gelesen haben. 

Sondermann-Gala 2022

Am 1. September 2022 gibt es eine neue Sondermann-Gala. Und neue Sondermann-Preisträger. Die Namen sind noch geheim aber wir feiern sie ab 20.00 Uhr im ZOOM (Carl-Benz-Straße 21, 60386 Frankfurt). Und die Gewinner von 2021 sind auch dabei. Sie erinnern sich? An die doppelbödigen Elias Hauck & Dominik Bauer und den einzigartigen Shahak Shapira? Eins steht jetzt schon fest: die Sondermann-Gala 2022 wird das gesellschaftliche Ereignis des Jahres und die letzte große Veranstaltung mit Publikum vor der sechsten Welle.

Karten ab sofort im VVK bei eventim.

Die große Sondermann Preisverleihungs-Gala 2021 fällt aus

Sondermann hatte nach langer Zeit ohne Galas schon den besten Kunstpelz in Herrn Deubels Kostüm-Verleih ausgesucht. Doch leider muss auch dieses Jahr der Mantel im Schrank bleiben. Wegen der hohen Corona-Inzidenzen müssen wir die Preisverleihung leider absagen.

Der Sondermann-Verein wird die Preisverleihung so schnell es geht nachholen. Die verkauften Gala-Tickets behalten ihre Gültigkeit.

Sondermann in Quarantäne

Aus Rücksicht auf die Gesundheit unserer geschätzten Vereinsmitglieder und der interessierten Öffentlichkeit verzichten wir in diesem Jahr schweren Herzens auf die „Sondermann-Gala“. Der Preis geht für ein Jahr in Quarantäne und verlässt sie spätestens am 11.11.2021.

Sie werden rechtzeitig über alles Weitere unterrichtet.

Andreas Platthaus: Sexkapaden und Sexzesse

Ruppert & Mulot sind die wilden Jungs des französischen Comics. Leider kommen sie so selten raus in Deutschland.

Jedes Jahr schicke ich ein gedankliches Dankeschön zu Hanns Zischler, dass er mir irgendwann einmal Ruppert & Mulot empfahl. Für die Drehpausen seiner französischen Filme pflegt er Comics einzukaufen, und so stieß er auf das heute immer noch recht junge Duo (Florent Ruppert ist Jahrgang 1979, Jérôme Mulot 1981), die wie ehedem Dupuy & Berberian eine untrennbare Einheit bilden, weil beide schreiben und zeichnen. Nur viel postmoderner, weil sie mit den Erzählformen und -normen spielen, als bekämen sie’s bezahlt. Bekommen sie aber nicht, denn sie publizieren in Frankreich bei L’Association, und das macht man mehr der Autoren-Ehre wegen.

In diesem Jahr musste ich gleich zwei stille Dankeschöns zu Zischler schicken, denn erst kaufte ich in  Paris „Les petits boloss“, einen dicken Sammelband mit verstreuten Zeitschriftenarbeiten von Ruppert & Mulot aus jüngerer Zeit, und dann erschien auf Deutsch bei Reprodukt endlich „Die Perineum-Technik“, ein im Original schon sechs Jahre alter Comic des Duos, mit dem sie ihre erzählerische Vorliebe für bizarre Sexpraktiken auf die Spitze trieben. Wobei es so bizarr darin gar nicht zugeht, denn die Swingerparty in der Geschichte orientiert sich eher an Schnitzlers „Traumnovelle“, und die titelgebende erotische Praxis besteht darin, die Ejakulation immer wieder hinauszuzögern, so dass auch Männer zu multiplen Orgasmen kommen. Die Emanzipation ist eben nicht aufzuhalten. Man muss nur den Erguss aufhalten.

Protagonist dieses Comics ist ein armer Tropf mit viel Erfolg: Unter dem Künstlernamen JH erstellt ein schon mittelalter Mann Videos und Installationskunst, die ästhetisch ihre beste Zeit schon hinter sich haben, aber immer noch viel Geld einbringen. Weitaus mehr interessiert sich JH für Sex, und die Partnerbörsen im Netz sind sein Jagdgebiet. Nur dass er mit der jungen Sarah auf eine Frau trifft, die sich selbst als Jägerin betrachtet und JH bald in ihren Fängen hat – zu seinem Leidwesen nur virtuell. Als sie ihn auffordert, sich in der Perineum-Technik zu trainieren, hofft er jedoch auf mehr. Wozu sich monatelang aufsparen, wenn es dann nicht zu einem großen Sexzess käme?

Wer schon etwas von Ruppert & Mulot gelesen hat, kann sich denken, wie’s ausgeht. Aber wie das aussieht, das weiß man bei den beiden nie, obwohl ihr graphischer Stil unverkennbar ist. Aber formal überraschen sie immer wieder neu. Ich habe von ihnen Zeitungscomics gelesen und Origamicomics, Faltblätter und extreme Hochformate. Da ist „Die Perineum-Technik“ fast schon enttäuschend normal. Aber Seltsamkeiten haben es eben schwer auf dem deutschen Comicmarkt, selbst beim Reprodukt-Verlag. Und Ruppert & Mulot sind ungewöhnlich genug, dass man es eine Sensation nennen darf, dass sie es überhaupt über die Sprachgrenze geschafft haben. So sieht das übrigens aus.

Auf eine Übersetzung von „Les petits boloss“ – ein Argotbegriff für „kleine Arbeiten“ – brauchen wir deshalb gar nicht erst zu hoffen. Dabei ist der Band ein veritables Best-of, was den Einfallsreichtum angeht, etwa so wie die Kompilationen von B-Seiten besonders kreativer Pop-Bands. In die scheinbaren Nebenwerke geht bisweilen viel mehr Wagemut ein als in die Prestigeaufträge. Und so sehen wir hier Ausschneidebögen, mit denen man kleine Bühnenrondelle herstellen kann, die dann auf Plattentellern kreisen können. Einen Comic über eine Kunstausstellung, der Fotos mit Strichzeichnungen kombiniert. Oder – Höhepunkt der fast zweihundert Seiten – einen im Zirkus spielenden Superheldenkampf, bei dem Spider-Man gegen Daredevil antritt, gezeichnet in einem Filzstift-Kinderstil, der einfach großartig passt für dieses meist infantile Genre. Dass Marvel nicht rechtlich gegen Ruppert & Mulot vorgegangen ist, zeigt allerdings erfreulicherweise, dass auch in Superheldenverlagen erwachsene Menschen sitzen.

Leider ist L’Association wie immer zu stolz, eine ordentliche Leseprobe anzubieten. So bleiben nur Thumbnails (kleine Anschauungen). Aber dieses Winzformat passt auch wieder zu Ruppert & Mulot. Diese Großmeister machen sich gerne klein. Weiß Gott, hätte Hanns Zischler sie nicht gelesen, wären sie mir erst viel später, vielleicht auch nie unter die Augen gekommen. Hier dann doch mal ein ganz laut ausgeschriebenes Danke dafür.

Andreas Platthaus: Was wir nicht sehen, macht den Schrecken aus

In der Comicreihe „Die Unheimlichen“ hat sich Sabine Wilharm eines Klassikers der Schauerliteratur angenommen: „Die Affenpfote“ von W.W. Jacobs. Die ist berühmt für das, was sie verschweigt. Und Wilharm steigert das in ihrer Adaption noch.

Manchmal ziehe ich aus den oberen Fächern meines Regals, also dorther, wo die internetbedingt mittlerweile nur noch selten genutzten gedruckten Nachschlagewerke stehen, Gero von Wilperts „Lexikon der Weltliteratur“ hervor. Meist, um zu überprüfen, wie denn vor einem halben Jahrhundert über Bücher oder Autoren geschrieben wurde, die mich heute beschäftigen. Zu William Wymark Jacobs ist dort zu lesen: „engl. Schriftsteller, 8. 9. 1863 Wapping – 1. 9. 1943 London. Sohn e. Werftaufsehers, 1883-99 Postbeamter, heiratete 1900 Eleanor Williams – Schrieb zahlr. Beiträge für ‚The Strand Magazine‘. Vf. köstl. humorvoller kleiner Erzählungen, in denen er kom. Episoden auf Küstendampfern und in den Häfen schildert …“ Ich unterbreche hier das Zitat, denn was hat ein Werk dieses offenbar eher amüsanten Schriftstellers in einer Gruselbuchreihe zu suchen? Zudem einer, die aus Comics besteht?

„Die Unheimlichen“ heißt diese Reihe; sie wird im Carlsen Verlag seit zwei Jahren von Isabel Kreitz herausgegeben, und obwohl sie trotz höchst namhafter Autoren (Nicolas Mahler, Birgit Weyhe, Barbara Yelin, Lukas Jüliger, Olivia Vieweg und natürlich auch die Herausgeberin selbst)  immer noch nicht recht den Durchbruch am Markt geschafft hat, erscheint sie mit wunderbarer Regelmäßigkeit. Ihr Prinzip ist das der Adaption: Comiczeichner setzen eine Schauergeschichten ins Bild. Der Anspruch ist allerdings ein hoher: Sie sollen dabei zugleich die Vorlage neu interpretieren. Nun ist natürlich jeder Medienwechsel schon eine Interpretation, aber so manche Erzählung in „Die Unheimlichen“ hat tatsächlich eine massive Umdeutung erfahren, am radikalsten bislang in Jüligers Version von Edgar Allan Poes „Berenice“.

Der jüngste Band der Reihe hält sich dagegen sehr streng an die ursprüngliche Geschichte. Gezeichnet hat ihn eine sehr bekannte deutsche Künstlerin, die aber bislang noch nicht durch Comics aufgefallen ist: Sabine Wilharm, sehr populär geworden durch ihre Titelbilder der deutschen Ausgabe von „Harry Potter“, aber schon seit Jahrzehnten eine der besten Bilderbuchzeichnerinnen im Land. Sie hat sich – und nun kommen wir endlich wieder zurück zum Eintrag aus dem „Lexikon der Weltliteratur“ – eine Erzählung von William Wymark Jacobs ausgesucht. Dessen berühmteste sogar, denn was ich eben noch unterschlagen habe im Zitat, liest sich in dessen Fortsetzung so: „… einiger Gruselgeschichten, u. a. der ausgezeichnet konstruierten ‚The Monkey’s Paw‘, sowie ab 1919 einiger Dramen.“ Vergessen wir die Dramen sofort wieder, hier geht es natürlich um „Die Affenpfote“.

Ich kannte die Erzählung nicht, aber nach der Lektüre von Sabine Wilharms Version wollte ich sie sofort kennenlernen. 56 Seiten hat der Comic, eine Einzelausgabe von Jacobs‘ Text hat keine dreißig. Das hat seinen Grund darin, dass, wie Rainer Moritz, der Chef des Hamburger Literaturhauses, es in seinem kurzen Nachwort zum Comic (jeder Band der „Unheimlichen“ hat eines) beschreibt, „Wesentliches nicht gesagt, bewusst ausgespart wird“. Man kann es an einem Beispiel schön deutlich machen: Gleich zu Beginn kommt ein alter Militär zu Besuch bei einem früheren Untergebenen, und er hat die titelgebende Affenpfote bei sich. Die erfülle, so erzählt er seinem Untergebenen namens White, jedem ihrer Besitzer drei Wünsche, und den Mann, von dem er sie erhielt, sei deshalb gestorben. Aber welche Wünsche dieser Sergeant Morris sich erfüllen ließ, das wird in Jacobs‘ Erzählung nie gesagt.

Nur so viel ist klar: Auch Morris haben seine erfüllten Wünsche kein Glück gebracht. Deshalb will er die Pfote verbrennen, doch White erbittet sie für sich. Nach ein paar Seiten hat die Affenpfote also ihren neue Besitzer, und in den restlich zwei Dritteln der Geschichte stürzt sie White und seine Familie ins Unglück.

Wie zeichnet man Auslassungen? Die knappe Leseprobe, die der Verlag anbietet verrät es nicht. Man könnte vermuten, es ginge einfach so, dass man Leerstellen in den Bildern lasse oder Lücken in der Seitenarchitektur, aber Wilharm macht etwas ganz anderes: Sie ergänzt die eigentlich Handlung zu Beginn um in fahlem Lila gehaltene Phantasmen, die den Köpfen der Beteiligten entspringen – exotische Vorstellungen von Indien, woher die Affenpfote stammt, bei den Whites und verzweifelte surreale Bilder bei Morris –, ehe mit dem Besitzerwechsel ein Bilderwirbel einsetzt, der erst die Begeisterung der Whites und dann ihre Verzweiflung deutlich macht. Dazwischen entfaltet Sabine Wilharm einen atemlosen Wechsel der Perspektiven und arbeitet zugleich mit Bühneneffekten, weil sie den Text von Jacobs immer konsequenter auf das Kammerspiel beschränkt, der er ist. Bis sie am Schluss Mr und Mrs White ins Freie entlässt, als ihr dritter Wunsch in Erfüllung geht. Anders als Jacobs erzählt sie nicht, was dieser Wunsch war, geschweige denn, was er hervorbrachte. Sie lässt also noch etwas mehr aus als die Vorlage.

Literarische Gruselgeschichten sind selten wirklich gruselig, wir sind längst verdorben durch die Horroreffekte des Kinos. „Die Affenpfote“ aber führt vor, was Grusel sein kann, und es würde mich interessieren, ob H.P. Lovecraft die Geschichte von Jacobs kannte, als er seine eigene beste, gruseligste schrieb: „Das Ding auf der Schwelle“. Wann kommt übrigens die erste Lovecraft-Erzählung in den „Unheimlichen“?

Andreas Platthaus: His Marxist Majesty Is not Amused

Zum zweihundertsten Geburtstag von Friedrich Engels gibt es nun einen biographischen Comic. Aber der ist leider überhaupt nicht das, was sein Gegenstand war: revolutionär.

Gibt es in diesem Jahr voller runder Jahrestage prominenter alter weißer Männer einen Hegel-, einen Hölderlin- oder einen Celan-Comic? Bildslang meines Wissens nach nicht, aber ein anderer Jubilar hat mehr Glück gehabt: Friedrich Engels, seines Zeichens „Unternehmer & Revolutionär“ (so der Untertitel) und geboren 1820, also vor zweihundert Jahren, in Barmen. Für die weniger Geschichtskundigen unter uns: Diese bergische Stadt gibt es nicht mehr, weil sie 1929 mit dem benachbarten Elberfeld vereinigt und die neue Doppelgemeinde ein Jahr später in Wuppertal umbenannt wurde. Daran dürfte Engels, der berühmteste Sohn der Stadt, nicht ganz unschuldig gewesen sein, denn 1839 hatte er als blutjunger Journalist für eine Monatszeitschrift zwei „Briefe aus dem Wuppertal“ geschrieben, deren erster so begann: „Bekanntlich begreift man unter diesem bei den Freunden des Lichtes sehr verrufenen Namen die beiden Städte Elberfeld und Barmen, die das Tal in einer Länge von fast drei Stunden einnehmen.“

In Wuppertal residiert heute der Comic-Kleinverlag Edition 52, der sich das Jubiläum nicht entgehen lassen wollte, wenn sich auch die Feiern zu Ehren des Mitbegründers der kommunistischen Theorie außerhalb der Stadt in Grenzen halten. Und so muss man hoffen, dass der eher kleinformatige Schwarzweißband  zumindest dort Verbreitung findet, denn leider wurde die Chance vertan, dem durchaus weltweit noch bekannten Friedrich Engels eine attraktiv aufgemachte Comicbiographie zu widmen. Schon die Titelzeichnung zeigt nicht das emblematisch gewordene Vollbartantlitz des älteren Engels, wie man es von tausend Bannern kennt, sondern einen bebrillten, langhaarigen Jungspund, der aussieht wie ein Typenmodell für die Asservatenkammer des neunzehnten Jahrhunderts. Entindividualisiert. Gut, dass wenigstens der Name „Engels“ groß aufgedruckt wurde.

Im Inneren sieht der Band nicht wesentlich besser aus, nämlich so. Das ist eine Szene aus dem Jahr 1849, als auch in Elberfeld Revolution herrschte. Zugleich saß Engels mit dem Redaktionskollegen Karl Marx im nicht allzu fernen Köln und heizte nicht nur den Aufstand mit Artikeln an, sondern brach auch selbst ins heimatliche Wuppertal auf, wo man gegen ihn aber sofort ein Aufenthaltsverbot verhängte. Alsbald wurden er und Marx dann auch in Deutschland nicht mehr geduldet, und beide beschlossen ihr Leben schließlich in England. Das kannte Engels gut, denn 1843 war er als Unternehmersohn nach Manchester geschickt worden, um sich dort in der Firmenführung zu bewähren. Was er dabei an sozialem Elend gesehen hatte, machte ihn erst zum Revolutionär.

Ähnlich sprunghaft wie dieses kurze Resümee seines Lebens ist auch dessen Behandlung im Comic „Engels“. Die Zeiten ändern sich permanent, und die assoziative Klammer über Jahrzehnte hinweg ist bisweilen arg gesucht. Der Zeichner Christoph Heuer, der zusammen mit dem Journalisten Fabian W. W. Mauruschat auch das Szenario geschrieben hat, setzt leider viel mehr auf Wort- als auf Bildverbindungen. Der alte Engels ist es bei ihm, der sich zu mehreren Anlässen an seine jungen Jahre erinnert und damit die jeweiligen Episoden auslöst. Dieser Kunstgriff ist vertraut und leider langweilig. Warum wird einem Umdenker wie Engels nicht etwas mehr eigenes Gehirnschmalz gewidmet, auf dass der ihn ehrende Comic selbst ein wenig revolutionär daherkäme?

Alles ist sehr didaktisch gedacht, und das Quellenverzeichnis für die Darstellung füllt vier ganze Seiten. Dass mit Georg Fülberth ein Engels-Biograph darunter vertreten ist, der orthodoxer Marxist ist, darf man als Segen bezeichnen, denn seine Arbeit bemüht sich wenigstens noch um eine Standortbestimmung im Sinne des historischen Materialismus, während die intellektuellen Salonlinken à la Slavoj Zizek nur noch Zerrbilder des Porträtierten abliefern. Gut, deren Lektüre haben sich Heuer und Mauraschat gespart, aber dass dann Raoul Pecks Spielfilm „Der junge Marx“ als Inspiration auftaucht, enttäuscht wieder. Der Kampf ums Nachleben von Engels hätte eine schöne Coda abgegeben, doch stattdessen bemüht sich ein Epilog, den Uwe Garske, Verleger der Edition 52, verfasst hat, verzweifelt um eine Aktualisierung und lässt zuschlechterletzt Engels als Hipster namens Fred auf einer Demonstration unserer Tage auftreten. His Marxist Majesty wouldn’t be amused.

Im Literaturverzeichnis findet sich auch das erklärte Comic-Vorbild für „Engels“: Alan Moore und Eddie Campbells „From Hell“, die akribisch recherchierte Phantasmagorie über Jack the Ripper. Ähnliche Zeit, teilweise gleicher Schauplatz (London), verwandtes politisches Anliegen. Aber welch ein Unterschied zwischen Campbells im Stil der Graphik des neunzehnten Jahrhunderts angenäherten eleganten Schwarzweißzeichnungen und den leider recht plumpen, vor allem in den Körperproportionen buchstäblich ungelenken Tuschezeichnungen von Heuer. Da wünschte man sich, das Vorbild wäre unerwähnt geblieben. Und für eine bessere Engels-Comicbiographie ist auch noch Platz.