Es kam der Tag, an dem Graf Adolf-Adolf IV. beschloss, seiner Regentschaft über Odelslohe-Striegnitz ein wenig Schwung zu verleihen. „Immer dasselbe in der Grafschaft!“, klagte er, „Festmahle, Fuchsjagd, Mätressenprellen. Und das Volk täuscht die Freude an der Knechtschaft auch nur noch vor. Ich bin es leid!“
Er brüllte seinen Diener herbei: „Diener, ich habe eine Idee, wie wir das Glück in unserem Lande mehren.“ – „Wie denn, Euer Erlaucht“, fragte der herbeigeeilte Diener, „durch Steuersenkungen? Oder den Bau eines Stadtgartens?“ – „Nun übertreib nicht gleich!“, unterbrach ihn Adolf-Adolf, „ich dachte an ein Wappentier.“ – „Ein Wappentier?“, fragte der Diener dumm. „Ja, ein Wappentier“, erwiderte der Graf nicht minder dumm, „Eines, das Freude bereitet, wenn man es am Stadttor prangen sieht. Eines, das die Seele des Volkes erquickt und welches noch nie zuvor gesehen ward.“
„Hm“, überlegte der Diener, „Warum soll es nur ein einzelnes Tier sein? Warum nicht gleich mehrere Tiere in einem?“ – „Bravo“, rief der Graf, „sieh an: Manchmal bist du doch zu etwas nütze, alter Faselhannes! Ja, ein Mischwesen soll es sein: halb Hund, halb Schwein, aber mit der Großmut einer Ente und der Besonnenheit der Fische! Dem Tümpel des Eichenwaldes soll es entsteigen und sein nächtliches Jaulen soll die Dämonen strafen.“
Der Diener kam mit dem Schreiben kaum hinterher, so schnell sprach der Graf, der sich munter den Ausschlag unterm Gehrock kratzte. „Der Hofnarr möge die Legende im Volk verbreiten!“, befahl er, „und der Maler sein Bild dutzendfach verbreiten! Hast du alles mitgeschrieben?“– „Sehr wohl, Euer Erlaucht, jedoch fehlt noch etwas: der Name. Wie soll sie denn heißen, Eure Kreatur?“– „Na, wie wohl“, blaffte Adolf-Adolf, „das Greizeljopp!“ Da glotzte der Diener erst blöd und notierte dann den Namen.
Doch wie kurze Zeit darauf das Bildnis des neuen Stadttiers sämtliche Straßenzüge zierte und der Hofnarr nicht müde wurde, die Legende des Greizeljopps zu verbreiten, da geschah etwas Merkwürdiges: Niemand interessierte sich für das neue Wappentier. Allenthalben nur Achselzucken und Naserümpfen. Und nicht nur das: Die freundlich-süße Erscheinung des Greizeljopps nahm der Stadt jegliche Erhabenheit. Streunende Banden überfielen Odelslohe-Striegnitz zur erstbesten Gelegenheit, plünderten es und errichteten eine Herrschaft von Terror und Frevel. Noch auf dem Schafott soll Adolf-Adolf das Greizeljopp, sein eigenes Geschöpf, lauthals verflucht haben.
Ein Mischwesen soll es sein: halb Hund, halb Schwein, aber mit der Großmut einer Ente
Dies aber ist sein einziges noch existierendes Bildnis aus jener lang vergangenen Zeit. Bis heute dient es als Mahnmal gegen Frohsinn und Possierlichkeit. So, liebe Kinder, und jetzt ab in die Kantine! Es gibt Waffeln, auf, auf!
Leonard Riegel, Sondermann-Preisträger 2015