Daniel Sibbe ist Sondermann-Stipendiat 2017. Auf sondermannverein.org lässt „der älteste Praktikant aller Zeiten“ (Titanic-Chefredakteur Tim Wolff) sein Leben in letzten autobiografischen Zügen noch einmal regelmäßig an sich vorbeiziehen.
MEIN VORBILD SONDERMANN… und was daraus wurde (Folge 1)
Kindheit und Jugend (I)
Aufgewachsen in einem westfälischen Wallfahrtsstädtchen, wurde mir durch das Bestreben meiner protestantischen Mutter, sich ihren konfessionellen Makel nicht anmerken zu lassen, von klein auf eine Erziehung im streng katholischen Sinne zuteil. Allsonntäglich redete sie spätestens beim Geläut der Glocken vehement auf ihren Ehemann ein, mit mir die heilige Messe zu besuchen, und stellte ihn so jedes Mal vor das Dilemma Kirchgang versus Frühschoppen.
Bis eines Tages mitten in der Eucharistie das Böse in Gestalt einer körperlichen Unpässlichkeit in mich fuhr; mir wurde schwarz vor Augen, ich bekam weiche Knie und rumpelte mit letzter Kraft an den verdatterten Gläubigen vorbei ins Freie, wo ich schließlich auf dem Kopfsteinpflaster des Kirchplatzes lang hinschlug. Ohne Umschweife exorzierte mich mein Vater daraufhin in seiner nahegelegenen Stammkneipe mit einem großen Glas Malzbier und stärkte seinen durch die kräftezehrenden Strapazen der Teufelsaustreibung geschwächten Körper noch mit dem einen und anderen Pils, bevor es wieder nach Hause an den bereits gedeckten Tisch ging.
Fortan kollabierte ich Sonntag für Sonntag zumeist schon auf dem Hinweg zur Kirche, wurde auf bewährte Art und Weise von meinem Vater inmitten von Bierdunst und Zigarettenqualm beschworen und entwickelte mich so ganz zur Freude meiner Mutter zu einem guten Christenmenschen.
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Über Mozart weiß man ja mittlerweile allerhand unnützes Zeug. Von wissenschaftlicher Relevanz dürfte dagegen meine Vermutung sein, dass der Bub ohne allzu engen Kontakt zu seinen Großmüttern aufgewachsen ist. Denn hätte er wie ich jedes Weihnachten das abendliche Gezeter einer bereits mit Buttercremetorte und „Eckes Edelkirsch“ bei Laune gehaltenen Oma über sich ergehen lassen müssen, der Junge (ich) möge doch gefälligst etwas auf dem Klavier vortragen, wofür beteilige sie sich denn mit einem hübschen Sümmchen ihrer kärglich bemessenen Rente an meiner musikalischen Erziehung, um dann nach wenigen von mir gespielten Takten zu keifen, nun reiche es aber auch mit dem unsäglichen Geklimper, und man könne es wohl kaum noch abwarten, sie unter die Erde zu bringen – wer weiß, ob aus dem Salzburger Wunderknaben nicht doch ein recht bedeutungsloser Luftikus geworden wäre?
(Fortsetzung folgt)