Comic-Blog

UnbenanntÖko-Superkräfte
von Andreas Platthaus

Der Italiener Federico Cacciapaglia macht sich mit „Die Growls“ über den Massenkonsum und die alternative Lebensweise zugleich lustig

„Jaja“ ist einer jener rührigen Kleinverlage, die dafür gesorgt haben, dass neben den etablierten Zeichnern auch der Nachwuchs in Deutschland seine Form bekommt. Das jüngste Produkt des von Annette Köhn 2011 in Berlin-Neukölln gegründeten Verlags stammt allerdings von einem italienischen Zeichner: Federico Cacciapaglia, geboren 1987 in Rom, allerdings seit einigen Jahren in Berlin ansässig. Als Pseudonym hat er sich „Café“ ausgesucht, und sein Mitautor, Arturo Martinini, nennt sich Art, obwohl er mit dem Zeichnen gar nichts am Hut hat. Gemeinsamen haben sie einen schwarzweißen Band herausgebracht, der „Die Growls“ heißt.

Vertraute des Comic-Idioms werden in diesem Titel einen typischen Knurrlaut wiedererkennen und somit darauf vertrauen, dass es einigen Ärger in der Geschichte gibt. Genauso ist es. Zu beginn landen drei Eskimos an einem tropische Strand neben einem Kühlschrank, der dort im Sand steckt wie der schwarze Monolith zum Anfang von Stanley Kubricks Spielfilm „2001 – Odyssee im Weltall“, und durch eine Art Pflanzenzauber lassen sie drei Lebewesen entstehen, die in ihren Eigenschaften gewisse Verwandtschaft mit den Digedags haben. Das aber sind die Growls.

Sie wissen es nur noch nicht. Was sie indes wissen, ist, dass sie Hunger haben. Doch im Kühlschrank ist nichts. Also geht der drei namenlosen Neugeborenen zum nächsten Supermarkt, begegnet aber auf dem Rückweg dem Bio-Mann, der ihn von den Vorzügen biodynamischer Ernährung überzeugt. Bei der Einnahme eines natürlich erzeugten Nahrungsmittels wird aus dem kleinen Wesen ein großer Kämpfer, ein Growl, während beim Verzehr der Massenware aus Essern eine Spezies wird, die als kleine Totenköpfe mit offenliegendem Hirn gezeichnet sind und „Consumx“ genannt werden. Haben wir es bei „Die Growls“ also mit einem agitatorischen Comic für gesunde Ernährung zu tun?

Keineswegs, denn Cacciapaglia und Martinini machen sich einen Spaß daraus, die heldenhaften drei Kobolde zum leicht manipulierbaren Gefolge von allerlei Gutmenschen zu machen. Die drei Eskimos treten immer wieder einmal als mystisch-gutes Gewissen des Planeten auf, ohne aber mehr als per Flaschenpost zugestellte Handlungsanweisungen zu liefern. Außerdem gibt es neben Bio-Mann noch einen Reporter-Aktivisten und einen Veganer, die sich sämtlich für eine bessere Welt einsetzen, das aber ohne jede Rücksicht auf Vernunft oder andere Akteure tun. Die drei Growls werden so zu leicht lenkbaren Kampfmaschinen, die wie in einem sehr schlechten Superheldencomic ständig gegen die skrupellosen Consumx antreten, die sich darin gefallen, alles, was spirituell Bewegten viel bedeutet, zu vernichten, seien es Delphine, Tibet, Pandas, Eisbären oder Wale.

Der Umgang des Comics mit diesen Ikonen des schlechten Weltgewissens ist höchst drastisch. Hinter dem kindgerecht scheinenden Zeichenstil von Cacciapaglia verbirgt sich ein graphischer Zynismus, der dieses Heft zu allem anderen als niedlicher Lektüre macht. De Gedankenlosigkeit der drei Helden ist bemerkenswert – so schmachtet etwa über die ganze Länge des Comics der letzte lebende Delphin in einer Zinkwanne, die nur ein paar Meter vom Meer entfernt steht, vor sich hin und will einfach nur sterben, doch man lässt ihn nicht. Ungeachtet seiner hell und leicht wirkenden Bilder wird die Geschichte tiefschwarz erzählt. Es ist, als hätte James Woodring für „Mad“ gezeichnet. Wer es sich ansehen will, findet hier Anschauungmaterial.

Eine politische Haltung gibt es in diesem Öko-Superheldencomic nicht. Die Generation von Cacciapaglia ist zwar politisch engagiert, aber nicht dogmatisch. Sie lässt sich nicht vereinnahmen für die weltverbessernde Propaganda einer bestimmten Lebensweise, sondern macht sich munter sowohl über die Vertreter traditioneller Ökonomie wie Ernährung wie über die messianischen Parolen alternativer Entwürfe lustig. Das macht „Die Growls“ nicht eben leicht zu lesen, denn wann immer man glaubt, eine Haltung darin gefunden zu haben, wird einem neu der Boden unter den Füßen weggezogen. Wenn man das aber einmal als Erzählprinzip erkannt hat, wird aus Cacciapaglias Band ein wunderbares Spiel mit unseren Erwartungen, Klischees und Erfahrungen. Hochkomisch ist das.

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