Wirkung von Waschbrettbäuchen
von Andreas Platthaus
Cartoons sind keine Comics. Oder doch? Dorthe Landschulz macht jedenfalls Cartoons, die komisch sind. Das kann man jetzt an ihrem neuen Buch überprüfen.
Vergessen Sie mal für ein paar Minuten die Kennzeichnung dieses Blogs als dem Comic gewidmete Reihe. Heute soll es hier um Cartoons gehen. Deren einziger Unterschied zum Comic besteht ja eh darin, dass sie aus nur einem Bild bestehen.
Doch das ist – zumindest wenn man dem einflussreichsten Comictheoretiker der letzten Jahre, dem Amerikaner Scott McCloud, glaubt , eben ein Unterschied ums Ganze: Er definiert Comics als „sequential art“, und für Sequenzielle braucht es zumindest mal zwei Bilder. Wobei McCloud sich um die Frage herumgemogelt hat, wie es denn zum Beispiel um Bestandteile einer Comic-Strip-Serie steht, die nur ein Bild benutzen, zum Beispiel in späten „Peanuts“-Folgen von Charles Schulz. Natürlich würde McCloud sie als Comics anerkennen und die Sequentialität eben aus der Einordnung in ein täglich fortgesetztes Kontinuum folgern, aber was macht ein Leser, der zwar McClouds „Understanding Comics“ kennt, aber keine andere „Peanuts“-Folge? Oder wie verhält es sich mit konsequent fortgesetzten Cartoon-Serie wie früher Gary Larsons „Far Side“ oder Joscha Sauers „Nicht lustig“? Sind das Comics? Nein, ist es natürlich nicht, weil sie nur eine technische, publikationsbedingte, aber keine inhaltliche Sequenzialität aufweisen (selbst wenn Sauer auch über wiederkehrende Figuren verfügt).
Und so ist auch Dorthe Landschulz, die erkennbar an Sauers Serie geschult ist, keine Comiczeichnerin, sondern eine Cartoonistin, obwohl sie einmal eine Serie im Netz publiziert, die „Ein Tag, ein Tier“ heißt und zu Beginn tatsächlich täglich neue Folgen bot (was mittlerweile nicht mehr der Fall ist, siehe dazu ihre Homepage, wo es übrigens auch einen kurzen Comic zu sehen gibt). Die 1976 in Hamburg geborene Zeichnerin lebt mit ihrer Familie in Frankreich und ist trotz ihrer jungen Jahre eine Spätberufene – oder sagen wir besser Spätgelesene, denn ihre Arbeiten sind erst in den letzten beiden Jahren richtig bekannt geworden. 2013 gehörte sie zu den Gewinnerinnen beim Deutschen Karikaturenpreis, 2014 erhielt sie einen Deutschen Cartoonpreis. Klingt ähnlich, sind aber zwei verschiedene Wettbewerbe: der erste von der „Sächsischen Zeitung“ ausgerichtet, der zweite vom Carlsen-Verlag.
Karikaturistin ist Dorthe Landschulz sicher auch nur eingeschränkt. Genuin politische Themen finden sich bei ihr wenige, gesellschaftskritischen schon deutlich mehr, aber besonders gern zeichnet sie auf eine Weise, die vom klassischen Ideal der Karikatur etwa so weit entfernt ist wie der Comedian vom Kabarettisten. Die Cartoonisten sind ja auch die Comedians der komischen Zeichnung, wobei der Begriff erfreulicherweise noch nicht so auf den Hund gekommen ist wie bei den Bühnenkollegen.
Ob man die Cartoons von Landschulz komisch findet, hängt entscheidend von der Bereitschaft ab, sich auf mehr Wort- als Bildwitz einzulassen. Nicht, dass es bei ihr besonders viel zu lesen gäbe (mit der Ausnahme eines Blattes, in dem sie sich über das Vorurteil lustig macht, dass Cartoonistinnen zu viel Text benutzten), aber die Zeichnerin liebt Wortspiele oder auch einfach die Übertragung von situationsbedingten Begriffen auf unpassende Kontexte: so etwa bei dem Gedanken eines in der Badewanne liegenden Mannes, dem eine als Putzfrau ausstaffierte Dame mit einem Wäschestück über den Leib reibt. Der Gedanke lautet: „Ich hatte mir die Wirkung von Waschbrettbäuchen auf Frauen irgendwie anders vorgestellt.“ Und auch sehr profan, aber schön, sind die drei Liegestühle am Strand, von denen einer ruft: „Hilfe, wir brauchen einen Arzt! Rolf ist zusammengeklappt!“
Diese beiden Cartoons sind Teil des neuen Sammelbands von Dorthe Landschulz, der gerade unter dem Titel „Problemzonen“ bei Lappan erschienen ist. Das wurde auch wieder mal Zeit! Denn diese Zeichnerin ist eine meiner großen Hoffnungen in ihrem Fach. Gerade weil mir im Regelfall die Hälfte der Bilder von Dorthe Landschulz missfällt. Bei den meisten ihrer deutschsprachigen Kollegen – die große Ausnahme ist Beck – missfällt mir viel mehr. Dorthe Landschulz erfreut mich also mit jedem zweiten Cartoon. Und bisweilen auch dadurch, dass sich nach dem Lachen das Gefühl einstellt, mich unter meinem Niveau amüsiert zu haben. Was nichts anderes heißt, als dass ich mein Niveau zu hoch eingeschätzt hatte. Wenn Komik auf diese Weise zu Korrekturen im Selbstbild führt, leistet sie mehr als genug. Womit sich Dorthe Landschulz aber nicht zufriedengibt – man sehe sich nur den letzten Cartoon im Band an, den vom ladenden/geladenen Ehemann. Kann man nicht erzählen, muss man sehen.